Dienstag, 14. April 2015

Big Neuro II: doppelt genäht hält nicht unbedingt beser

Heute die Pressemitteilung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt: "Gehirn reagiert auf Psychotherapie". Das will ich doch schwer hoffen. Ich lese weiter: "Depressionen lösen in der Regel neurobiologische Effekte aus. Eine Studie konnte nun aufzeigen, dass sich diese Hyperaktivitäten unter einer Psychotherapie normalisieren". Die Pressemitteilung, mehr kenne ich nicht, beschreibt die Anlage der Untersuchung kurz. Achtzehn Patientinnen und Patienten, die unter wiederkehrenden depressiven Krise litten, erfuhren eine psychodynamisch orientierte Therapie. Sie wurden mit einer Kontrollgruppe von siebzehn Personen ohne depressive Krisen verglichen. Zu zwei Zeitpunkten wurden sie untersucht, wie sie auf verschiedene Sätze (zur Selbstwahrnehmung) reagierten; die neurologischen Aktivitäten in der Amygdala, im Striatum und im limbischen System wurden erfasst, berechnet und gegeneinander gehalten. Soweit so gut: übliche komplizierte, triviale Forschung, möchte ich sagen.

Das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist die defensive Verdopplung. Was wir schon wissen, wird erneut nachgewiesen. Es ist klar und bekannt, dass ordentliche Psychotherapie kurative Wirkungen hat.
Jetzt, indem neuronale Prozesse herausgerechnet werden, erhält die bekannte Wirksamkeit einen neuen, nämlich (vermeintlich) objektiven Realitäts - oder soll man sagen: Wahrheits-Gehalt. Womit das alte Vorurteil von der (vermeintlichen) subjektiven Flüchtigkeit des seelischen Geschehens bestätigt und die Ängstlichkeit vor der Übermacht naturwissenschaftlich orientierter Forschung beruhigt wird durch einen Kniefall beflissener Forschung. Dabei ist diese Art von Big Neuro-Aktivität tautologische Forschung: herauskommt, was wir schon wissen.



(Überarbeitung: 22.4.2015)

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