Mittwoch, 16. September 2015

Die Technik des Drohens mit dem Gekränktsein: "... dann ist das nicht mein Land"

Gestern, am 15.9.2015, sagte unsere Bundeskanzlerin diesen erstaunlichen Satz:
"Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land".

Ein Satz ist natürlich mit vielen Kontexten unterfüttert. Ein Satz ist eine schmale empirische Basis. Deshalb ist Vorsicht beim Auslegen angebracht. Es ist unklar, wann dieser Satz erfunden wurde: vor oder in der Pressekonferenz. Er klingt vertraut: er transportiert den Affekt des Gekränktseins. Er deutet die Überlastung und die Enttäuschung der Sprecherin an. Im Alltagskontext könnte man den Subtext so übersetzen: wenn mir das nicht zugestanden wird, schmeiße ich die Brocken hin. Eine Drohung wird kommuniziert.

Die Adressaten des Satzes wurden nicht angesprochen. Im Kontext der Pressekonferenz waren das: die Kolleginnen und Kollegen der  EU-Länder, die sich der bundesdeutschen und der österreichischen Politik nicht anschließen. Man kann vermuten, dass auch Kolleginnen und Kollegen der eigenen Gruppierungen gemeint waren. Dann ist das nicht mein Land. Ist er ein für den Status und für die Verpflichtung der Bundeskanzlerin, die geschworen hat, das Wohl des deutschen Volkes im Blick zu halten, angemessener Satz?  Man müsste sie fragen können. Man müsste sie auch fragen, ob sie die Kommunikation des Affekts der Gekränktheit für ein relevantes Argument hält. Die Kommunikation der Gekränktheit hat ihren Platz innerhalb der familiären vier Wände als Andeutung einer Überlastung und Enttäuschung; in den  demokratischen Foren, wo der Streit um die Auffassungen die Regel ist und wo die familiären Beziehungs-Techniken nichts zu suchen haben, nicht. Weiß die Bundeskanzlerin, dass sie Gefahr läuft, ihr Amt misszuverstehen? Deshalb wüsste ich gern, ob und inwieweit diese Politik mit dem vertrauten Affekt kalkuliert ist; sie wirkt so natürlich - echt. Aber was im öffentlichen Forum natürlich wirkt, ist häufig inszeniert und hat mit vernünftiger Politik wenig zu tun.

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