Donnerstag, 24. September 2015

Neues von der Heiligen Kuh XVII: alles halb so schlimm

Martin Winterkorn ist nicht mehr Chef des Volkswagen-Konzerns. Vor zehn Jahren ging Peter Hartz, Personal-Chef von Volkswagen. Er wurde später verurteilt zu einer auf Bewährung ausgesprochenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zu einer Geldstrafe von € 576.000,-. Betriebsräte hatten gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, indem sie ihre Privilegien für ihre Interessen ausbeuteten; Klaus Volkert wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das fiel mir wieder ein - dank der Unterstützung durch Wikipedia - , als mir die Titel zweier Texte heute in der Frankfurter Allgemeine Zeitung nachgingen: "Tabula Rasa" von Holger Steltzner (S. 1) und "Volkswagen macht Tabula rasa" von cag./cmu (S. 15).

Die Redefigur tabula rasa klingt gut und ist nett. Sie dient der Beschwichtigung. Jetzt räume ich richtig auf, lautet der Vorsatz. Geht das? Kann man in seinem Leben richtig aufräumen ? Man kann die Schreibtischplatte leerfegen - und dem lateinischen Verbum radere folgen. Radere bedeutet: kratzen, schaben, glätten. Im Französischen war la table rase die leere Kupferplatte, dann das unbeschriebene Blatt - buchstäblich und metaphorisch. Faire table rase war dann: alles niederreißen, reinen Tisch machen. Wie geht das in einem Konzern? Was reißt man nieder? Reicht es, die Spitze eines Konzerns auszutauschen? Wie groß ist die Spitze? Wer zählt dazu? So wird ein Konzern individualistisch verstanden: nicht als System, nicht als Kultur, nicht als eine Matrix von Beziehungen, die bestimmt wird von den Idealen, Übereinkünften, Fantasien, Delegationen, Loyalitäten, Verpflichtungen. Die Matrix der Beziehungen (das gesellschaftsdynamische Konzept von Siegfried Heinrich Foulkes) entscheidet. Wer will sie in den Blick nehmen und verändern?  Die Matrix verändert sich in einem langwierigen, schwierigen Prozess redlicher Auseinandersetzungen über die Beziehungskultur. Wer will und kann diese Arbeit leisten?  Was geschah nach 2005 im Volkswagen-Konzern?

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