Freitag, 15. Juni 2018

Anne Will und Angela Merkel: Beschwichtigungsgerede

Wenn's brenzlig ist, taucht Angela Merkel bei Anne Will auf und versucht, den öffentlichen Aufruhr zu beruhigen. Wie Kanzleramt und Anne Wills Firma sich abstimmen, ist das Geschäftsgeheimnis. Leider werden wir nicht informiert. Jetzt war es am Sonntag, dem 10. Juni 2018, wieder soweit; Anlass war der so genannte G 7 - Gipfel, dessen Besetzung der U.S.-Präsident drastisch korrigierte, indem er seine Bedingungen diktierte und das Treffen um einen Tag früher als seine Kolleginnen und Kollegen verließ.

Nerven Donald Trumps Twitter Sie nicht?, wollte Anne Will zu Beginn wissen. Twitter, gab Angela Merkel breit lachend zurück, nervt mich überhaupt nicht. Ein faustdickes Dementi. Es kam zu schnell, zu apodiktisch, zu wenig selbstkritisch. Ich hätte geantwortet: das kann ich mir nicht vorstellen. Anne Will äußerte keine Bedenken; sie frug nicht nach; sie ließ der Kanzlerin die Lüge des Selbstschutzes durchgehen.

So ging es weiter. Die Kanzlerin bestritt, beschönigte, redete sich raus, widersprach sich  - Anne Will ließ das Gemerkel durchgehen und setzte auf die naive, weil direkte Konfrontation. Am Ende wollte Anne Will wissen, ob die Kanzlerin, ihren Entschluss, sich für eine vierte Legislaturperiode zur Verfügung gestellt zu haben, bereute. Nein, antwortete Angela Merkel, sie hätte wenig Zeit zum Nachdenken. Anne Will wollte nicht wissen, wie viel wenig  Zeit ist - Angela Merkel hatte ja gesagt, dass sie etwas Zeit hätte. Sie explorierte nicht oder versuchte nicht die Momente zu explorieren, in denen die Kanzlerin an sich zweifelt. Selbst-Zweifel darf sie offenbar nicht zugeben; irgendjemand muss ihr irgendwann gesagt haben, dass  der politische Akteur um eine Antwort nie verlegen ist. Jetzt konnten wir sehen, wie die Kanzlerin sich in ihren Floskeln des Beschwichtigens und des Posierens verhedderte - und den Abgrund der Ratlosigkeit und Hilflosigkeit einer strapazierten, erschöpften Politikerin andeutete. Einmal wurde sie persönlich: als sie von ihrer Enttäuschung und Ernüchterung über die U.S.-Regierung sprach. Das Publikum im Studio honorierte sofort den öffentlichen Kontakt, der ihr in diesem einmaligen Augenblick (an diesem Abend) gelang. In diesem Augenblick widersprach sie (indirekt) ihrem Twitter-Dementi. Es fiel nicht weiter auf.

Es durfte offenbar nicht auffallen. Die A.R.D. hat auch ein Interesse am guten Schlaf ihres Publikums.  

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