Mittwoch, 11. Dezember 2013

Willy Brandt, Helmut Schmidt und Giscard d'Estaing

Zwei bewegende Sendungen strahlte ARTE gestern Abend aus: die Dokumentation über Willy Brandt und das Gespräch, das zugleich ein vorsichtiges (sich wenig einmischendes) Interview war, zwischen dem 1918 geborenen Helmut Schmidt und dem 1926 geborenen Giscard d'Estaing. Brandt und Schmidt sind die beiden SPD-Kanzler (1969 - 1974 und 1974 - 1982), die die westdeutsche Kluft repräsentierten. Als Primaner nahm ich 1961 zum ersten Mal einen üblen Ausfall des ersten Kanzlers der Bundesrepublik deutlich wahr: Konrad Adenauer nannte seinen Konkurrenten im Wahlkampf den Herrn alias Frahm, spielte auf dessen uneheliche Geburt an und und wunderte sich laut über dessen Leben in Norwegen in den nationalsozialistischen Jahren. Der alte Herr hackte in seiner Not - muss man vermuten - mächtig Holz; wofür sich später meines Wissens kein Mitglied der Union entschuldigte. Wieso auch. Die Politik der Kränkung blieb das Muster des Umgangs. Zähneknirschend nahmen die Abgeordneten der Union im Bundestag die Mitteilung des Bundestagspräsidenten Kai Uwe von Hasselt entgegen, dass Willy Brandt 1973 der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Willy Brandt war unser visionärer Politiker, der den 9.11.1989 erlebte und das Wort vom Zusammenwachsen, das zusammen gehört prägte. Seine Bedeutung für westdeutsche Moral, Integrität und Identität war und ist enorm.

Helmut Schmidt war anders - er musste, würde er vielleicht in seiner Schnodderigkeit sagen, den Laden, der mächtig in Aufruhr geraten war, zusammenhalten. Er pflegte die leisen lauten Töne. Er pflegte eine kollegiale Männer-Freundschaft mit dem französischen Präsidenten. Im Interview konnte man sehen, dass das Wort von der Freundschaft  zutraf - Giscard d'Estaing war der Erste, dem Helmut Schmidt von seinen jüdischen Wurzeln erzählte. Im Gespräch räumte Helmut Schmidt ein, dass er die politische (psychosoziale) Bedeutung der symbolischen Gesten unterschätzt hatte - beispielsweise die Geste des Händchenhaltens von seinem Nachfolger Helmut Kohl mit dem französischen Präsidenten Francois Mitterand - ; vielleicht, deutete er an, hätte er mehr aus seiner Beziehung machen sollen. Zum Glück ist es nicht geschehen: wenn man genau hinguckt, fällt die Inszenierung auf und in sich zusammen. Es war wohltuend zu sehen, dass die beiden Politiker ihre Integrität nicht verraten und sich dem Geschäft der forcierten Intimität nicht überlassen hatten. Bei Angela Merkel und Francois Hollande - in einem kleinen, einmontierten Ausschnitt - konnte man dagegen sehen, wie das betuliche Gerede und das Handeln sich kommentieren:  Angela Merkel bugsierte ihren Kollegen ungeduldig und taktlos in die richtige Position auf dem roten Teppich - wie einen kleinen Jungen, der sich zu langsam bewegt in feiner Gesellschaft.

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