Mittwoch, 7. Mai 2014

"Schnee von gestern" (Farewell, Herr Schwarz)

Auf dem Israelischen Workshop Away From Auschwitz (in Nahsholim) sah ich vor ein paar Tagen
Yael Reuvenys Film Farewell, Herr Schwarz. Yael Reuveny beschreibt in ihrem Dokumentarfilm ihre  Öffnungsbewegung, die eine vorsichtige Integration und eine skeptische Annäherung ihrer  familiären Linien etabliert -  Farewell, Herr Schwarz ist ein unglaublich bewegender und rührender Film über die erschütternde Komplexität der Lebensbewegungen und Lebensverhältnisse, die die nationalsozialistische Mord-Orgie bewirkte.

Yael Reuvenys Großmutter Michla und ihr Onkel Feiv'ke überlebten als die einzigen Mitglieder ihrer Familie. Sie hatten sich verabredet, sich nach dem Krieg am Bahnhof im polnischen Lodz zu treffen. Aber sie trafen sich nicht: die Großmutter suchte den Treffpunkt nicht auf. Die Geschwister gingen, ohne voneinander zu wissen, eigene Wege. Michla richtete ihr Leben in Tel Aviv ein; Feiv'kes Existenz war unbekannt.

Yael Reuveny, so erzählt ihr Film,  reiste in die Bundesrepublik und lebte in Berlin auf; sie riskierte, könnte man sagen, einen Ausbruch. Ihre Eltern verstanden sie nicht und beargwöhnten den Ortswechsel. Was willst du in Deutschland?, fragte sie ihr Vater. Ihre Mutter kündigte an, Yael nicht in Berlin zu besuchen. Yael ging, ohne es zu wissen, ihren Weg der  Integration. Sie folgte den Spuren ihres Onkels. Sie fand heraus: Feiv'ke lebte mit einer neuen Identität (als Peter Schwarz) und eigener Familie im ostdeutschen Schlieben, wo er zuvor in einer Fabrik die nationalsozialistische Hardware des Krieges herzustellen hatte; dort lebte er vermutlich mit seinen ehemaligen Aufsehern zusammen. Ihre Großmutter hätte ihrem Bruder diesen Verrat nicht verziehen. Yael folgte nicht dem unausgesprochenen Auftrag der Großmutter nach deutlicher Trennung. Sie suchte Schlieben auf - wo die Baracken des Terrors umgebaut worden waren zu Wohnhäusern der Nachkriegsnot. Sie fand und sprach die Kinder ihres Onkels. Sie fand und sprach die Freunde ihres Onkels. Aber gehörten die neuen fremden ostdeutschen Verwandten zu ihrer Familie? Für ihren Cousin Uwe war das keine Frage; er wollte dazu gehören. Geht das?

Es geht - etwas. Yaels Eltern besuchten sie in Berlin. Auf dem in Tel Aviv aufgenommen Foto (mit dem der Film zu Ende geht) stand Uwes Sohn, der jüdische  Theologie studierte und sich damit der Familie seines Großvaters annäherte, in der letzte Reihe der Verwandten und Freunde. Eine rührselige Umarmung gibt es in Yael Reuvenys Film nicht; die Fremdheit bleibt; die Trennungslinie zwischen jüdischer und deutscher Verwandtschaft ist fein, aber scharf gezogen; die Integration hat eine Qualität der Distanz und der Reserviertheit. Peter Schwarz ist zurückgekehrt als Peter Feiv'ke Schwarz.

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