Montag, 5. Mai 2014

Was sind "politisch motivierte Gewalttaten" in der Bundesrepublik?

Die Nachricht in derAusgabe der  SZ vom 30.4./1.5.2014 (S. 5, Nr. 99):
"Immer brutaler. Politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland nehmen stark zu - von links und rechts". Welche Gewalttaten sind gemeint? "Angriffe gegen Polizisten und Rettungshelfer, aber auch gegen Ausländer". Der erste Typ von Aggression wird als links kategorisiert, der zweite als rechts. Was ist daran links und rechts? Das ist unklar. Mit Ernst Jandl könnte man auch sagen: lechts und rinks. Was ist daran politisch motiviert? Das ist unklar. Unklar ist das Konzept der Motivation. Eine Richtung motiviert nicht, sondern eine Intention. In dem Fall der strafrechtlich relevanten Gewalttaten: ein Hass. Was ist an ihm - für die Bundesrepublik gesehen - politisch? Gar nichts (s. meinen Blog vom 11.1.2012). Ein Hass fantasiert oder betreibt die Vernichtung eines Objekts. Wie es gefunden wurde und wie es festgehalten wird in den Vergeltungsfantasien, wissen wir nicht. Ein Hass beruhigt sich mit Projektionen. Man muss die Projektionen nicht wörtlich nehmen, sondern zu verstehen versuchen.

"Politische Gewalt muss geächtet werden", sagt unser Innenminister Thomas des Maizière. Nein, sie muss nicht mit dem Adjektiv politisch rationalisiert (und geadelt), sondern verstanden werden. "Worte, Worte, nichts als Worte", überschrieb Heribert Prantl in der SZ (26./27.4.2014, S. 4, Nr. 96) seinen Kommentar Gesetz gegen Hasskriminalität. Doppelt gemoppelt, hält besser, sagt man: die Motive zur Kriminalität sind vielfältig, der Hass dürfte das zentrale Motiv sein. Aber jetzt beabsichtigt der Bundesjustizminister mit seinem Entwurf zur Strafzumessung: dass die Untersuchung der "rassistische(n), fremdenfeindliche(n) oder sonstige(n) menschenverachtende(n)" Absichten der Beschuldigten explizit betrieben werden soll für die Urteilsfindung. Der Rahmen der Motiv-Exploration soll erweitert werden; es besteht eher die Gefahr, dass die angemessene Exploration des Hasses abgekürzt wird zugunsten vertrauter Verständnis-Klischees, die die Rationalisierungen und Kostümierungen des Hasses für bare Münze nehmen.

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