Mittwoch, 7. Oktober 2015

Neues von der Heiligen Kuh XIX: sie grast

Es ist still in unserer Öffentlichkeit um den Wolfsburger Konzern geworden. Keine Aufregung.  Keine Empörung. Keine Kamerateams, die jemanden wegen einer Auskunft bedrängen. Keine Schlagzeilen. Oder kriege ich das nicht mit?

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bringt heute, am 7.10.2015, auf ihrer ersten Seite die Nachricht: "VW will Mängel an Fahrzeugen bis 2016 beheben". Gemeint ist: bis Ende des nächstes Jahres. Die Skepsis ist herauszuhören. Innen, im Buch Wirtschaft (S. 15), wird der neue Chef, Matthias Müller, befragt. Holger Steltzner und Holger Appel, so die Notiz unter dem Interview, führten das Gespräch.

Ihre erste Frage: "Warum wurde der Motor manipuliert?"
Matthias Müller: "Bei der Umstellung auf die moderne Common-Rail-Motor-Technik wurde gleichzeitig entschieden, mit dem Diesel nach Amerika zurückzukehren. Dabei ist es offenbar nicht gelungen, die strengen amerikanischen Abgasgrenzwerte einzuhalten".

Oh je, oh je, wären die Amerikaner nicht so streng, wäre alles gut gewesen. Der neue Chef rauft sich die Haare und gibt unklare Antworten. So geht es weiter. Keiner der Journalisten lacht darüber, dass hier ein vertrautes Muster variiert wird: ein Betrüger gibt nur das zu, was bekannt ist. Etwas später konfrontieren die Journalisten Matthias Müller mit dem Tatbestand des Betrugs: "Aber VW hat die Öffentlichkeit und die Kunden betrogen". Nicht nur die Öffentlichkeit und die Kunden wurden betrogen, sondern die gesetzlichen Vorschriften wurden missachtet. Zählt das nicht richtig?

Matthias Müller: "Uns ist ein schwer wiegender Fehler unterlaufen. Dafür müssen wir jetzt gerade stehen". Nein, die Manipulationssoftware war oder ist sehr gekonnt geschrieben. Alles richtig. Nur der Betrug ist gesetzwidrig. Ist das ein Fehler? Der einem unterläuft? Die Journalisten lachten nicht. Wer vom Fehler spricht, hat seine Schuld nicht verstanden oder redet sie klein.

Natürlich war dies kein Interview. Die Journalisten konnten nicht auf den Putz der Beschwichtigungen hauen. Sie konnten auch nicht lachen. Hätten sie es getan, vermute ich, wären ihre Reaktionen herausredigiert worden. Das Interview ist eine sterilisierte PR-Veranstaltung von VW -  x  Leute haben nachgebessert. Man kann die Taktik heraushören: beruhigen, nichts zugeben, undeutlich und auf Tauchstation bleiben. Die Beratungs-Teams arbeiten an der Verteidigungslinie. Wer etwas zugibt, macht sich angreifbar. Keine neuen Töne vom neuen Chef. Er tut, was man ihm sagt.

Der Konzern-eigene Zynismus geht weiter. Am 24. September schrieb James Surowiecki in seinem Blog des The New Yorker - Titel: The Environmental Legacy of the Volkswagen Scandal - : dass der Skandal darin bestünde, die technische Entwicklung verzögert zu haben - it slowed the transition to hybrids and electric cars. Die für die betrügerische Software der Motorensteuerung zuständigen Leute machten keinen Fehler, sie folgten nur dem Zynismus des Geschäfts. Wer identifiziert und tauscht die Propagandisten dieser Haltung aus? Wie war das noch mit der flotten Anweisung: Wer betrügt, fliegt raus?

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