Freitag, 30. Oktober 2015

P.E.g.I.d.A-Lektüre III: was darf man sagen im öffentlichen Raum?

"Man muss nicht soweit gehen", schrieb Reinhard Müller am 2.9.2015 (Frankfurter Allgemeine Zeitung, S. 1, Nr. 203), "wie einst der amerikanische Supreme Court, der 1977 amerikanischen Nationalsozialisten mit Hakenkreuzfahnen den Marsch durch eine Stadt erlaubte, in der viele Holocaust-Überlebende wohnten. Aber für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit muss der Staat so entschieden eintreten wie für das Grundrecht auf Asyl". Man muss nicht so weit gehen : in den U.S.A. offenbar schon. Früher sagten bei uns die ängstlichen Mütter ihren Jungen: übertreib' nicht! Wie kann Reinhard Müller das sagen: Man muss nicht so weit gehen? Woher weiß er, wie weit man gehen kann? Wahrscheinlich kann man nicht weit genug gehen. Auf welche Amplituden verständigen sich die Bürgerinnen und Bürger einer Gesellschaft, was im öffentlichen Raum gesagt werden kann? Die Frage lässt sich nicht schnell beantworten: der Prozess der demokratischen Evolution ist ein Austesten und ein Verschieben der Grenzen; er ist offen. Die Autoren der U.S.-amerikanischen Verfassung trauten ihren Landsleuten offenbar mehr zu als unsere  Autoren des damals vorsichtig formulierten Grundgesetzes, das ausdrücklich keine Verfassung sein sollte - die war für später vorgesehen: wenn die Präambel des Grundgesetzes erfüllt sein sollte.  Zur Zeit wird bei uns der öffentliche Raum - nicht nur in Dresden - getestet. Diese Tests sind strapaziös - lästig und aufreibend; sie nehmen kein Ende. Zu Viele haben zu viele andere Ideen. Zum Glück gibt es Wahlen. Da lässt der Lärm dann kurz nach.

(Überarbeitung: 2.11.2015)

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