Donnerstag, 10. Januar 2019

Der SPIEGEL-Gau und der F.A.Z.-Alltag - zur methodischen Anfälligkeit des Journalismus für Korruption (81)

DER SPIEGEL - unsere in die Jahre gekommene, nicht mehr so glänzende Institution der Tradition des angelsächsischen muckraking - hat jetzt den eigenen Dreck aufzukehren. Zum Glück gibt es den störrischen, unerschütterlich peniblen Journalisten Juan Moreno, der seinem übereifrigen, renommierten, aber betrügerischen Kollegen Claas Relotius auf die Finger guckte und den Unterschied von (geleugneter) Erfindung und (relativierter) Wahrheit markierte. Das ist bitter für die stolze Redaktion des SPIEGEL - Schadenfreude, wie auch immer drapiert, bleibt jetzt nicht aus. Da bleiben nur der Trost, dass kriminelle Handlungen in den besten Familien oder in den größten Konzernen begangen werden, und der Zuspruch, am Ideal des muckraking festzuhalten und weiterzumachen.

Bleibt die Frage, weshalb der journalistische Betrug so wirksam war. Betrügen ist ein interaktives Geschehen: der eine verbiegt oder fälscht die Wahrheit, der andere stutzt nicht, weil ihm das Manöver einleuchtet. Weshalb? Die Frage muss noch geklärt werden.  Inzwischen liegt dazu ein Beitrag vor von Simon Drescher, Mario Gotterbarm und Sebastian König: Sagen, was ist uns was sein soll. Die Rethorik der Reportage und der Fall Claas Relotius (F.A.S. vom 13.1.2019, S. 43, Nr. 2). Die Autoren gehen von den kommunikativen Mustern und Implikationen eines Reportage-Textes aus: jeder Text erzählt; jede Erzählung mischt die Subjektivität der Autorin oder des Autors in die Beschreibung einer Wirklichkeit; jede Erzählung rekonstruiert auf ihre Weise die beschriebene Wirklichkeit. "Reportagen", schreiben sie, sind "rhetorisch-narrative Konstruktionen, die uns ein Sinnangebot machen. Vor allem wird es der ehrlichste Akt in der Post-Relotius-Zeit sein, nicht weiter einen Diskursstil zu propagieren, der vorgeblich vor jedes politische Meinen zuerst die Darstellung der Wirklichkeit setzt - so als seien Meinung und Wirklichkeit zwei getrennte Sphären".

Es ist zu einfach, sich nur auf den Betrüger und dessen Text-Herstellung zu konzentrieren. Der Betrug hängt vor allem mit dem methodischen Grundproblem des Journalismus zusammen: in der Position des Beobachters oder der Beobachterin ausgeschlossen zu sein von den relevanten inneren, exklusiven kommunikativen und interaktiven Prozessen in Institutionen oder Organisationen oder von den inneren Prozessen eines relevanten Akteurs; weshalb die Journalistin oder der Journalist angewiesen ist auf eine oder mehrere Personen, die über die Innenseite der Prozesse Auskunft zu geben bereit sind. Damit ist die Journalistin oder der Journalist abhängig von der Qualität der Beziehung einer einseitigen Bereitschaft, Auskunft zu geben und sich durch die Auskunftsbeziehung (wie auch immer) honorieren zu lassen. Ein Beziehungsgeschäft ist die Voraussetzung für ein journalistisches Forschen.

Beziehungsgeschäfte sind Geschäftsbeziehungen sind unser Alltag. Der Kunde ist König, solange er kauft. Das wissen wir. Der Chef bleibt der Chef - und man selbst ist auf der Hut.  Das nehmen wir hin - mehr oder weniger ernüchtert. Trotzdem hoffen wir (mehr oder weniger)  darauf, dass das Beziehungsgeschäft sich im Geschäft nicht erschöpft. Wir möchten auch gesehen werden, wie wir uns sehen und wie wir sind. Geschäftsbeziehungen, das wissen wir auch, sind, obgleich tägliche berufliche und nicht so berufliche Praxis, heikel - prekäres Beziehungsterrain der strategischen Balancierung sachlicher (funktionaler) und persönlicher (privater) Interessen.

Wie macht eine Journalistin oder ein Journalist das? Claas Relotius hat, könnte man ihm zugute halten, die journalistischen Auskunftgeschäfte umgangen, journalistische Geschäftsbeziehungen erfunden und sich damit ein anderes Problem eingehandelt. Journalisten geben über ihre Geschäftsbeziehungen und Beziehungsgeschäfte keine Auskunft; das schützt ihre Arbeit im Dienste der demokratischen Kontrolle; der Schutz der Vertraulichkeit setzt einen redlichen Umgang voraus. Die Frage ist, welchen Einfluss sie auf ihre Arbeit haben. Janet Malcom, die New Yorker Journalistin, hat dies in den ersten beiden Sätzen ihres Buches The Journalist and the Murderer (1990) ausgeführt:

"Every journalist who is not too stupid or too full of himself to notice what is going on that what he does is morally indefensible. He is a kind of confidence man, preying on people's vanity, ignorance, or loneliness, gaining their trust and betraying them without remorse".

Morally indefensible (Moralisch nicht zu vertreten)? Janet Malcoms Verdikt müsste diskutiert werden. Es bleibt (meines Wissens) in unserer öffentlichen Diskussion unerwähnt.   

Nehmen wir ein Beispiel aus der täglichen journalistischen Praxis. Volkswagen wird chinesischer überschrieben Hendrik Ankenbrand und Carsten Germis ihren Text (F.A.Z. vom 8.1.2019, S. 22, Nr. 6) und zitieren Herbert Diess, den Chef von VW, der in Peking auf einer Pressekonferenz vor Journalisten prognostizierte:
"In den nächsten Jahrzehnten wird das Machtzentrum der Automobilindustrie in China sein".

Ein Detail dieses Textes wird übergangen im Alltag der journalistischen Praxis: Herbert Diess sprach auf einer Pressekonferenz vor Journalisten in Peking. Waren die Journalisten Ankenbrand und Germis dabei? In Peking? Eingeflogen vom konzerneigenen Flugzeug? Weitere Reisekosten erstattet von VW? Möglicherweise gut gepampert und hofiert? Gab es ein Beziehungsgeschäft? Oder zitieren sie eine Pressemitteilung - ohne zu sagen, dass sie nicht anwesend waren, weil sie den Anschein einer besonderen Aktualität wahren wollen? So oder so. Entweder das Beziehungsgeschäft mit VW oder der Aktualitätsbluff. Was ist wahr? Und hängt die Abwesenheit einer kritischen Perspektive in deren Text zum Stuss des VW-Chefs Herbert Diess - siehe meinen Blog vom 10.1.2019 Auf in das Land.... - von einem Beziehungsgeschäft ab?  Wie redlich sind also die Frankfurter Journalisten? Wie redlich ist deren Redaktion? Es bleiben  - bei diesem einen (typischen) Beispiel des Spiels mit der hingeworfenen, wie zufälligen Ungenauigkeit - Zweifel am Interesse einer präzisen journalistischen Wahrnehmung und die Vermutung der journalistischen Leugnung im Kontext eines Beziehungsgeschäfts: hier der Flug und dort das kritiklose Mitschreiben der aufwändig mitgeteilten Neuigkeit des Wolfsburger Versuchs eines treuherzigen Imperialismus.

(Überarbeitung: 14.1.2019)

1 Kommentar:

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