Donnerstag, 27. Juni 2019

In der Hitze der Yacht: es lebe der Reichtum der Reichen!

 Es geht nichts über eine Zeitung, die einem beim Frühstück den Reichtum der Reichen serviert.

"Die Welt der großen Yachten", lese ich in der F.A.Z. im Buch Technik und Motor (25.6.2019, S. T 1), "und dabei sprechen wir von Bauten über 24 Meter Länge, ist eine Welt der Superlative. Rund 7000 Einheiten schwimmen davon auf den Weltmeeren beziehungsweise eher in den Marinas, mehr als 600 weitere befinden sich derzeit auf knapp 100 Werften im Bau". Soweit die ersten beiden Sätze.

Marcus Krall ist der Autor. Für das Wort Marinas musste ich das Internet befragen; es gehört zum englischen Sprachschatz und bedeutet: Yachthafen. Marcus Krall deutet an: die Riesen-Schiffe liegen vor allem (im Hafen); sie werden offenbar nicht so häufig bewegt. Wahrscheinlich dienen sie mehr dem Vorzeigen als dem Skippern. Das ist doch tröstlich.

Oder nicht?

Was soll dann dieser auf einer Druckseite ausgebreitete Text in der Zeitung für die klugen Köpfe? Der Reichtum des westlichen Welt, demokratisch legitimiert, darf bestaunt werden. Die Yacht ist das Gegen-Bild gegen die Dringlichkeit der drastischen Revision unserer expansiven Lebens-und Bewegungsformen und für die Einladung zum Unterhaken: Sicher, die Klimakatastrophe kommt, aber nicht heute; bis sie kommt, beruhigen wir uns mit dem Trost des Verschwendens. Bis sie kommt, bewegen wir uns weiter wie bisher. Und die Zeitung bewegt sich mit in der vertrauten Ambivalenz (ihrer Redaktionen) zwischen Alarmiertheit (mehr oder weniger), Schuld und Scham (mehr oder weniger) und der Selbstberuhigung der Leugnung und des Aufschiebens: Heute nicht, aber morgen; heute wird noch (verdruckst) mächtig konsumiert, morgen wird das reduziert.

Text-Wechsel zum Beleg meiner Vermutung.

In derselben Ausgabe vom 25.6.2019, geht Melanie Mühl am Beispiel der Familie Quaschning der Frage der Revision der Lebens- und Bewegungsformen nach (S. 9, Nr. 144; F.A.Z.).  Volker Quaschning ist, so der Text, "Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin". Die Familie hat ihre Lebensverhältnisse umgestellt: eigener Strombedarf, besonders isoliertes Haus, ausgefeilte Klimatechnik, keine expansiven Lebensbewegungen - sparsamer Autoverkehr mit einem Fahrzeug mit Hybrid-Technik, keine Flugreisen.

"Prioritäten muss man sich leisten können", bilanziert Melanie Mühl die Lebenshaltung und die Lebensform der Familie Quaschning. Die Quaschnings bewohnen ein eigenes Haus "am Rande von Berlin, in einer idyllischen Gegend mit sehr viel Wald, Seen, Vogelgezwitscher und sauberer Luft". "Ein quaschning-haftes Leben muss man sich leisten können", schreibt Melanie Mühl, "ist die Klimafrage also nicht in Wahrheit auch und vor allem eine soziale Frage?"

Nein. Die Klimafrage, so gestellt, verdreht treuherzig unsere Realität. Wir können uns unsere gegenwärtigen Lebensformen nicht mehr leisten. Sie sind die Folge der Ausbeutung unseres Planeten im Dienste des Geschäfts und des maßlosen Konsumierens. Wie wir die Folgen der sich ausbreitenden Klimakatastrophe mildern und Lebens-erträglich ausbalancieren können, ist die Frage. Die sich ausbreitende Klimakatastrophe stellt die Kultur der westlichen Fantasie-, Lebens- und Wirtschaftsformen auf den Prüfstand. Ihre radikale Inventur steht an. Die Quaschnings haben ihre Lebensformen und ihre Bewegungsformen revidiert. Das  kann jeder - auf eine den eigenen Lebensbedingungen angepasste, mögliche Weise. Man kann auch Lebenswünsche, Illusionen und Fantasien aussortieren. Melanie Mühl sagt, ohne es zu sagen: meine Zeitung kann das nicht; sie kann es sich nicht leisten; für unser Geschäft pampern wir unsere Leserschaft, von der wir vermuten, dass sie eingestimmt bleiben möchte auf die Einladungen zum Fantasieren vom grandiosen Konsumieren; die Yacht wird in Frankfurt am Main noch gebraucht.

(Überarbeitung: 28.6.2019)

   


  

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