Freitag, 21. November 2014

Lachen über den Politiker Adolf Hitler

Hilmar Klute berichtet heute in der SZ (Nr. 268, 21.11.2014, S. 11) über die Tagung am Münchener Institut für Zeitgeschichte zu der Frage, ob man, wie er schreibt, "über Hitler lachen" darf. Natürlich darf man das. Wenn der Text, der das Lachen veranlassen soll, die nationalsozialistische Monstrosität gekonnt verfremdet. Das ist im Fall des nationalsozialistischen Politikers äußerst schwierig. Selbst war er wohl, wie auf der Tagung zu erfahren war, humorlos. Das hat Ernst Lubitsch in "Sein oder Nichtsein" elegant karikiert; da konnte ich lachen. Charlie Chaplins "Der große Diktator" ist eine dröge, ziemlich verunglückte Veranstaltung des Auslachens. Quentin Tarantinos grell aufgetragene Schminke enthüllte die bösartige Fratze des Führers - kein Vergnügen. Kann ein "Witz als Waffe" wirken, wie Hilmar Klute seinen Text titelt? Natürlich nicht. Die messianische Mission eines humorlosen Menschen mit einem Witz anzugehen macht ihn möglicherweise noch humorloser und rabiater. Zudem dient der Witz, wie wir von Sigmund Freud  erfahren haben, vor allem der Psychohygiene dessen, der oder die ihn erfindet und kommuniziert. Der Witz als Waffe überschätzt seine Wirksamkeit und fantasiert die geräuschlose Vernichtung und pflegt im nationalsozialistischen Kontext die Illusion, die Beseitigung des Anführers würde eine kriminelle Gang zerstören. Die kriminellen nationalsozialistischen Cliquen hätten viele Fußballstadien gefüllt. Die von unserer Bundeskanzlerin (am 2.5.2011) begrüßte Exekution von Osama bin Laden hat die Evolution des Mordens nicht gestoppt. Deshalb gehören zum kriminellen Führer die ihn in diesem Status haltenden Strukturen und Beziehungsgefüge des gesamten Systems (s. meinen Blog Rache ist sauer vom 9.5.2011).

"Nun ist Hitler", schreibt Hilmar Klute, "seit bald siebzig Jahren tot und stolpert immer noch knödelnd und kreischend durch unsere Witzwelten. Warum eigentlich, oder besser gefragt: wozu? ... Es gibt den brennenden Wunsch vieler deutscher Humorarbeiter, Adolf Hitler in seiner angeblichen Banalität zu zeigen, und da möchte man zumindest nachfragen, ob ein Mann, der sechs Millionen Juden ermordet hat und zumindest darangegangen war, die Welt anzuzünden, wirklich mit dem Begriff der Banalität abzufertigen sei". Der letzte Satz pflegt die Verdrehung und die Dämonisierung. Die mörderische nationalsozialistische Orgie wurde von vielen Henkern beauftragt, organisiert und betrieben. Das System des Mordens und seine Mitglieder werden so ausgeblendet. Und die Rede von der Banalität ist der repetierte Vorwurf an Hannah Arendt, sie hätte die mörderische Grausamkeit eines der  nationalsozialistischen  Henker missverstanden. Hannah Arendt beschrieb die erschreckend krude Gefühllosigkeit von Adolf Eichmann - sie nannte sie seine "Unfähigkeit zu denken", was wir heute übersetzen können (ihr Text wurde im Frühjahr1963 publiziert) mit: einer Unfähigkeit sich einzufühlen und was seine, wenn wir das Wort in seinem alten Sinne verstehen, ungeheure menschliche Gewöhnlichkeit auszumachen scheint. Dass das Lachen über den nationalsozialistischen Regierungschef nicht gelingt, zeigt an: die Akteure der nationalsozialistischen Verbrechen erschrecken und lähmen; sie sind noch nicht verstanden. Die Henker werfen noch riesige Schatten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen