Sonntag, 15. März 2015

Das Buch! Das Buch?

Die Leipziger Buchmesse läuft. Sie ist, wie ich letztes Jahr fand, eine Leserin- und Leser-freundliche Veranstaltung; wer will, kann sich richtig umtun und beispielsweise die Wege der Produktion eines Buches studieren. Deshalb finde ich das Lob von Christopher Schmidt in der Süddeutschen Zeitung (13.3.2015, S. 4) angemessen - er spricht, so der Titel seines Textes, (gekonnt) von: "Seitenweise Glück". Er referiert eine Bemerkung oder einen Befund (es ist nicht auszumachen) des Wissenschaftshistorikers Michael Hagner, der für die "größte Bedrohung" des Lesens die heutige "Ungeduld" hält. Ungeduld. Sie wird - als eine Art Zeitdiagnose - nicht weiter erläutert. Dennoch hakt sie sich fest und geht mir nicht mehr aus dem Kopf: sehr lästig.

Die Rede von der Ungeduld ist dreist: bedient wird das Klischee - abgeleitet aus anderen kursierenden Klischees: das Internet und seine digitalen Ableger verderben, machen unruhig und unaufmerksam, lenken ab, beuten uns aus und bedeuten unseren kulturellen wie sozialen und psychischen Untergang. Das Buch und das Lesen galten schon immer als bedroht - die Gruppe der Autoren und Autorinnen, die mit den Augen rollten und rollen und sich die Haare rauften und raufen, ist riesig. Was wissen wir von den Prozessen des Lesens? Entscheidend sei, sagte Ludwig Marcuse, was einen nicht langweilt. Wissen wir das? Vielleicht sind die vermeintlich Ungeduldigen die, die sich mit einer strapaziösen Lektüre nicht quälen wollen? Noch einmal Ludwig Marcuse: Jeder sollte frei sein, sagte er, sich von einem Meister ins Herz treffen zu lassen. Mit anderen Worten: Autorinnen und Autoren, die eine jahrzehntelange Lektüre aushalten, sind rar und schwer zu finden. Auf diesem Weg kann man viele Bücher, deren erste Sätze fad sind und einen nicht einnehmen, schnell beiseite legen. Wer will, findet seine Autorin und seinen Autor. Leider sind unsere Lebenszeit und damit unsere Lesezeit begrenzt. Sich nicht langweilen zu wollen, ist eine gute Such-Strategie.

Überarbeitung: 20.3.2015.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen