Mittwoch, 25. März 2015

Streiken stört

Beim Einsortieren der Zeitungsausschnitte fiel mir nach der gestrigen Katastrophe (am 24.3.2015) des in den südfranzösischen Alpen zerschellten Airbus 320 mit seinen tödlich verunglückten Passagieren der Text von Marc Beise über die streikenden Piloten der Lufthansa auf: "Guten Flug, noch!" ist er überschrieben (Süddeutsche Zeitung vom 21./22.3.2015, S. 25). Dafür, dass der Titel jetzt wie gewaltiger Hohn klingt, kann Marc Beise nichts. Wohl für den leichten Spott, der sich als immer unangemessen erweist, weil er die Wirklichkeit des Piloten-Berufs auf die sprichwörtliche leichte Schulter nimmt.

Er möchte, sagt er im ersten Absatz, "ausdrücklich keine Neiddebatte" beginnen.
Dementis, wissen wir, sind schlecht: irgendwie bejahen sie, was sie verneinen. Marc Beise schreibt: "Dennoch ist dieser fortgesetzte Streik der Lufthansa-Piloten, der nun ins Wochenende hinein fortgesetzt wird, ein Ärgernis und ein Fehler". Wieso ist er ein Ärgernis und ein Fehler? Die Piloten nähmen keine Rücksicht auf die Markt-Situation ihres Unternehmens angesichts von "Flugsteuern", "sich verändernden Märkten" und "Billigfluglinien". Marc Beise:

"In dieser Situation Gehaltssteigerungen im zweistelligen Bereich zu fordern; längere Lebensarbeitszeiten zu verweigern (in einer Zeit, da alle Menschen länger arbeiten müssen und dies biologisch auch können); für Berufseinsteiger dieselben Privilegien zu fordern wie für die Alten; einen Streik immer weiter herauszuziehen, sodass Millionen an neuen Kosten verursacht und das Image der
Firma schädigt - das alles ist in dieser Radikalität einfach nur: dumm":

Warum vertritt Marc Beise die Interessen der Leitung der Firma Lufthansa und macht sich deren Sorgen? Er schreibt für die Redaktion Wirtschaft. Wieso schreibt er für die Konzern-Interessen - und nicht für die Leute, die den Konzern am Laufen halten? Wie so häufig, wenn eine Tätigkeit einfach aussieht, sind wir geneigt zu glauben, die Tätigkeit wäre auch einfach. Fred Astaire, habe ich aufgeschnappt, trainierte täglich acht Stunden. Nein, wir kennen die Lebenswirklichkeit von Piloten unzureichend: die enorme existenzielle Belastung des Berufs; die schwierigen Lebensrhythmen und die schwierigen Lebensformen; die permanente Anspannung auch dann, wenn sie nicht tätig sind - schließlich wartet der nächste Flug: es ist nicht so schwer sich vorstellen, dass mit 55 Jahren genug ist. Wahrscheinlich gilt das auch für andere, ebenfalls permanent existenziell bedrohliche Berufe. Dass wir ein paar Jahre - wenn es gut läuft - statistisch älter werden, heißt doch nicht, dass wir uns länger quälen können und uns länger ausbeuten lassen müssen. Wenn eine Berufsgruppe sagt, wann genug genug ist, muss man es respektieren. Die Leute haben den Vorrang, nicht die Firma. Ein Streik kommt immer zur Unzeit. Die Folgen eines Streiks zu ertragen, ist der Preis demokratisch geregelter Lebensbedingungen.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen