Freitag, 13. März 2015

Familien-Kitsch

Heute, am 13.3.2015, der Aufmacher der Süddeutschen Zeitung (S.1):
"Riesenkrach zwischen Berlin und Athen". Der Titel hält nicht die höfliche Form ein und beginnt mit: Berlin. Die Titel-Erläuterung: " Griechenlands Botschafter beschwert sich beim Auswärtigen Amt, weil Finanzminister Schäuble den Kollegen Varoufakis 'naiv' genannt habe. De Mazière kritisiert Drohung mit Flüchtlingsstrom".

Der Krach ist eine Vokabel zur Beschreibung einer Beziehungskrise. Beziehungen, das muss man eigentlich nicht wiederholen, bewegen sich in einem persönlichen Kontext. Der Krach hat in einem politischen Kontext nichts zu suchen; bestenfalls ist er Kurzschrift für schwierige Verhandlungen. Zwar verhandeln Personen, aber sie repräsentieren ein Amt und handeln im Rahmen eines Amtes. Es hat natürlich eine Logik, wenn ein Mitglied der Redaktion der Süddeutschen Zeitung auf eine  Metapher der Familienstube zurückgreift: die konzeptionellen Differenzen müssen nicht erläutert und diskutiert werden - der bundesdeutsche Minister hat Recht, der griechische Minister Unrecht. Das ist erstaunlich, weil das bundesdeutsche finanzpolitische Konzept der schwarzen Null äußert umstritten ist - national wie (besonders) international. Stattdessen wird die Geschichte vom strengen, aber guten Vater erzählt, der gut wirtschaftet, das Geld zusammenhält und möglichst wenig ausgibt. Lässt man den familiären Kitsch beiseite, ist dieses Konzept mehr als fragwürdig. Unsere stattlichen Exportüberschüsse sind wahrscheinlich zu einem stattlichen Teil mit bundesdeutschen Krediten vorfinanziert - von  Gläubigern (Staat, Industrien, Investoren), die sich jetzt Sorgen machen müssen, ihre Forderungen zurückzubekommen. Wie beim Tanzen gehören zum Schuldenmachen Zwei: der eine, der gibt, und der andere, der nimmt. Wer gibt, hat eine Verantwortung, darauf zu achten, ob der, der nimmt, auch zurückzahlen kann. Mit anderen Worten: über die Rolle der bundesdeutschen Akteure wird nicht gesprochen. Erstaunlich ist, was sich schon seit einiger Zeit beobachten lässt: wie sehr die Süddeutsche Zeitung die Finanz-Politik der jetzigen Regierung durchgehen lässt und sich treuherzig mit familiären Geschichten begnügt. Für das Jahres-Abonnement dieser Zeitung (gute sechshundert Euro) kann man fast dreizehn Jahre die LE MONDE diplomatique halten, wo man in der neuesten Ausgabe den sehr lesenswerten und sehr lesbarenText von Heiner Ganßmann lesen kann:
"Lauter schwarze Nullen. Deutschlands fatale Rolle in der europäischen Schuldenkrise" (März 2015, S. 3 -4).

Nachtrag am 14.3.2015. Wieso ist unser Finanzminister im Zentrum der Verhandlungen - und nicht die
Repräsentanten der Europäischen Kommission? Müsste nicht ein Repräsentant der Gemeinschaft verhandeln - für die Gemeinschaft? Und nicht nur für die Bundesrepublik und deren Gläubiger-Interessen. Was als ein in Berlin lokalisierter Konflikt kursiert, illustriert die enorme Schwierigkeit der EU, als eine Gemeinschaft zu handeln.     

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