Freitag, 1. Juli 2016

Neues zur Heiligen Kuh XXX: sie hat sich verrannt

Der erste tödlich verunglückte Autofahrer ist bei dem nordamerikanischen Feld-Versuch des Fahrer-losen, Rechner-gesteuerten Automobils zu beklagen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird in der heutigen Ausgabe (2.7.2016, S.1) die Meldung mit diesem Satz eingeleitet: "Die Autoindustrie hat bei der Entwicklung selbstfahrender Autos einen schweren Rückschlag erlitten". Den Satz muss man mehrmals lesen. Nicht nur, dass der Autor oder die Autorin sich um die (gesamte) Industrie sorgt und von einem Rückschlag spricht. Das Wort vom selbstfahrenden Auto deutet auf das Elend der Ingenieur-Fantasie und deren vorhersehbares Scheitern - weshalb ich in mehreren Blogs dieses Projekt eine Schnapsidee nannte (2.3.2016, 24.2.2016, 22.9.2015): ein Selbst ist in dem Rechner-gesteuerten Fahrzeug nicht zu entdecken. Entdecken kann man die bescheidene, aber enorm aufgeblähte Idee, abgeleitet aus einer miserablen Theorie, man könnte hochkomplexe interaktive Prozesse in eine Abfolge von (innerhalb eines definierten Segments) störendenen  Reizen und darauf bezogenen Reaktionen ausreichend präzis zerlegen. Autofahren wird mit einem Handlungsentwurf, der sich in einem offenen System (anders als das im Prinzip geschlossene System des Eisenbahnverkehrs) mit anderen Handlungsentwürfen abstimmt, realisiert. Die Struktur dieses Entwurfs lässt sich nicht zerlegen; sie ist die unsichtbare Form und stellt den unsichtbaren Kontext des Autofahrens - sie ist, wie wir das von unseren basalen somato-psychischen Regulationen kennen, nicht zu lokalisieren (allem Neuro-mumbojumbo zum Trotz) und deshalb von einer Maschine nicht zu reproduzieren. 

Bleibt die Frage nach der Sicherheit des Autofahrens und des Vermeidens des immensen Preises an Leid und Verlusten. Möglich und wahrscheinlich, dass das Rechner-gesteuerte Autofahren weniger Leid und Verluste kostet. Aber mit dem dafür notwendigen riesigen, Jahre-langen Feldversuch, in dem die Unfall-Zahlen des einen Autofahrens mit dem anderen Autofahren verglichen werden müssten, kann man nicht experimentieren. Es gibt zwei Wege der Erhöhung der Sicherheit: 1. radikale Tempo-Limits; 2. großzügiger Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn die Autos wie auf Schienen bewegt werden sollen, können wir gleich auf Schienen fahren. Das Geld, das der Automobilindustrie zur Zeit  offeriert wird, ließe sich bequem in diese beiden Projekte investieren. So könnten wir weitere Schnapsideen vermeiden: das Elektroauto, dessen Kosten noch gar nicht abzuschätzen sind, und die Installation der Infrastruktur für die Stromversorgung der Elektroautos. Das Problem sind: die Automobilindustrie, die weiterhin möglichst viele Autos (was immer der Markt hergibt) fraglos herstellen und verkaufen möchte, die IT-Konzerne, die gern expandieren und ihre klugen Leute beschäftigen möchten, und die Verkehrspolitik, die sich von Schnapsideen besäuseln lässt und sich vor allem für die reibungslose Herstellung von Automobilen verantwortlich fühlt.     

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen