Donnerstag, 27. Februar 2014

Neues von der Heiligen Kuh VII

Es gibt natürlich auch gute Nachrichten. Gestern, am 26.2.2014, berichtete die SZ auf ihrer Seite Panorama (S. 8): "Weniger Tote im Straßenverkehr. Statistiker melden Rekordtief, doch Autobahnen werden gefährlicher": 2013 verunglückten 3340 Menschen tödlich  - 260 weniger als 2012. Im schlimmsten Jahr der Verkehrstoten, 1970, wurden knapp 20.000 Tote registriert - der Anlass für die Bundesregierung, ihre Verkehrspolitik zu forcieren: mit vermehrten Appellen, einem Tempolimit auf Landstraßen (mächtig umstritten) und der Einführung des (gesetzlich verordneten) Anlegens von Sicherheitsgurten (noch mächtiger umstritten). Am Ende dieses Jahrzehnts hatten wir die Empfehlung einer Geschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h. Von ihr erfährt man heute nur etwas, wenn man aus dem Ausland kommend unsere Landesgrenzen überfährt und per Schild informiert wird über die Geschwindigkeitsregelungen auf unseren Straßen. Mit unseren Geschwindigkeits-unbegrenzten Autobahnen stehen wir einzig da und sind attraktiv für ausländische Besitzer bundesdeutscher Fabrikate, die gern ihre Pferde bei uns mal richtig galoppieren lassen wollen. Bislang lauteten die Gegenargumente gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung: 1. die schadet dem Verkauf bundesdeutscher Fahrzeuge (ist ungewiss, weil noch nicht ausprobiert); 2. die Autobahnen sind unsere sichersten Straßen (stimmt offenbar nicht mehr).

Wie das? Die Zahl der Toten stieg auf 387 ( um 8.1 Prozent). "Allein als Folge von Auffahrunfällen", so die Meldung, "habe es 28 Tote mehr gegeben. Noch seien die Unfallursachen aber  nicht im Detail bekannt". Es ist die Frage, ob wir sie im Detail erfahren. Es gibt eine paradoxe Entwicklung: einerseits haben sich die Umgangsformen (etwas) gebessert - Beleg: die Lichthupe wird so gut wie nie mehr benutzt (meine Erfahrung); allerdings sind das Heranschießen und das dichte Auffahren weiterhin  geläufige Umgangsformen. Andererseits schlagen viele Autofahrer eine gemächliche Gangart ein - was (vermutlich) ein Hinweis auf ein sich veränderndes Verhältnis zum Autofahren ist - bei einem weiterhin bestehenden Interesse anderer Autofahrer an hochgerüsteten Fahrzeugen und am Wunsch der interaktiven Macht-Entfaltung. Deshalb meine erste Hypothese: die Geschwindigkeits-Differenzen steigen und damit die dramatischen Konflikt-Situationen. Meine zweite, abgeleitete, weitreichende (und deshalb schwer zu überprüfende) Hypothese: das Autofahren dient weiterhin als das Feld für das Austragen gesellschaftlicher, psychosozialer Umbrüche.

Dazu scheint die  andere Nachricht zu passen - heute, am 27.2.2014 (Weiberfastnacht) in der SZ auf Seite 1: "Kluft zwischen Arm und Reich. Besonders in Deutschland sind Vermögen ungleich verteilt". Hängen beide Nachrichten zusammen? Sicherlich. Aber auf komplexe Weise. Man wird sicherlich nicht sagen können: In Deutschland sind die Automarken ungleich verteilt. Aber offenbar gibt es im Straßenverkehr ein ungünstiges, dysfunktionales Macht-Gefälle. Das müsste man im Detail untersuchen, wer wie in welchem Ausmaß die Umgangsformen dominiert - wie es in den 70er Jahren versucht wurde.

Was kann man noch tun, wenn man auf die Forschung nicht warten will? Ein Tempo-Limit einführen. Ein Limit ist ein Segen: man kann wieder ruhig fahren und muss nicht zusammenzucken vor knallhellen Kühler-Gesichtern im Rückspiegel.
Jetzt könnte man sogar die Mitglieder des ADAC dazu befragen.

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