Montag, 23. Februar 2015

Der Trost zum Samstag

Seit ein paar Monaten unternimmt die Süddeutsche Zeitung mit ihrer Wochenend-Ausgabe eine ordentliche Anstrengung: sie versucht, viel Lesefutter zu liefern - gewissermaßen die Hamburger Zeit einzuholen. Irgendein Marketing-Fuchs muss den Redaktionen oder den Verlagen gesagt haben, dass die Leute am Wochenende viel Zeit haben und gern viel lesen. Der Fuchs hat mich nicht gefragt; denn weder habe ich am Wochenende viel Zeit noch Lust, eine dicke Zeitung nach dem Lesenswerten durchzublättern. Der Spiegel ist ja inzwischen auch diesem Marketingfuchs gefolgt.

Daran musste ich denken, als ich die erste und zweite Seite der Süddeutschen Zeitung überflog: unsere Kanzlerin war in Rom und war zur Audienz bei Papst Franziskus. Für die Fotografen (vermutlich) zeigten sie sich ihre Finger. Auf der ersten Seite die Frage: "Das Elend der Welt, der Trost der Gemeinschaft, die Einsamkeit an der Spitze - was verbindet die mächtige Frau und den obersten Katholiken?". Die Antwort wurde mit dem ersten Satzteil gegeben: Das Elend der Welt, der Trost der Gemeinsamkeit, die Einsamkeit an der Spitze. Vergessen wurde: der Trost durch die Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Auf der zweiten Seite: "Eine Frau der Kirche. Die protestantische Kanzlerin und das Oberhaupt der Katholiken verstehen sich". Wer hat diesen Befund ausgemacht? Verstehen? Kann man sich in 30 oder 40 Minuten verstehen? Wer hat die Begegnung beobachtet?  Nein, man kann Gemeinsamkeiten austauschen und sich darüber freuen, dass man Gemeinsamkeiten hat. Was stört: ist der publizistische Ausverkauf eines komplizierten Konzepts. Verstehen. Was stört: ist die Verachtung dieses Konzepts - für ein rührseliges Geschäft, das einen einladen soll für die Wochenend-Lektüre. 

Nachtrag am 15.3.2015. Wer war einer der Autoren dieses PR-shmaltz? Stefan Kornelius, Autor des
Buchs "Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Welt"; 2013 erschienen. Der Journalist folgt ihr weiter. So bleibt man freundlich zueinander.

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