Montag, 23. Februar 2015

Endspiel in Brüssel (20.2.2015)

Am Wochenende titelte der Kölner Stadt-Anzeiger auf seiner dritten Seite: "Athen rettet sich in die Verlängerung" (21./22.2.2015). Verlängerungen, das wissen wir vom Fußball, sind eine gute Sache. In der 113. Minute des Endspiels (sieben Minuten vor dessen Ende) bugsierte Mario Götze den Ball zum 1:0 gegen Argentinien ins Tor. Jetzt scheint es die griechische Regierung geschafft zu haben. Der Untertitel im Kölner Stadt-Anzeiger: "Kompromiss zwischen Griechenland und der Eurogruppe - Das Gespräch in kleiner Runde bringt den Erfolg". Die kleine Gruppe bestand, so die Zeitung, aus: Jeroen Dijsselbloom (Eurogruppenchef), Christine Lagarde (IWF-Chefin), Wolfgang Schäuble (bundesdeutscher Finanzminister) und Gianis Varoufakis (griechischer Finanzminister). Ob die Runde so klein war, ist schwer vorzustellen. Viel Aufgeregtheit beim Endspiel. War es für uns - die europäischen Wählerinnen und Wähler - angepfiffen worden? Damit die enormen finanzpolitischen Differenzen verdeckt bleiben? Wer weiß schon, was läuft. Nur die, die in den kleinen Runden sitzen. Draußen sorgen die elektronischen und die Print-Medien für die Endspiel-Aufgeregtheit. Die konzeptionellen Divergenzen bleiben ungeklärt, die Wirklichkeiten unzureichend beschrieben.

"Was bleibt?", fragt Christiane Schlötzer in ihrem Kommentar "Wut und Stolz" (Süddeutsche Zeitung vom 21./22.2.2015, S. 4). Ich wüsste gern, wo diese Affekte von wem beobachtet wurden. Auch in den kleinen Runden? In den anderen Gremien? Wer nimmt diese Affekte auf? Dienen sie als Klischee-Kitt für ein Verständnis,  das sich jemand draußen, vor den geschlossen Türen, zusammenreimt?

"Die EU", beantwortet Christiane Schlötzner ihre Frage, "müsste für ein Entgegenkommen von Athen mehr verlangen als bisher ... dass die Regierung Tsipras selbst Verantwortung übernimmt für die Härten der Staatssanierung. Dass sie für einen funktionierenden Rechtsstaat sorgt und die Vermögenden endlich zur Kasse bittet, worauf die Vorgänger verzichtet haben. Das wäre ein ehrgeiziges Programm, für das Griechenland sechs Monate Probezeit und damit eine zweite Chance verdient hätte". Das ist leicht gesagt: die (vermeintlichen) Schuldigen werden schnell ausgemacht. Vielleicht rekonstruiert jemand einmal den politischen Prozess der europäischen Krise und nennt die Akteure der beteiligten Regierungen. Ich wüsste zum Beispiel gern, wer das viele Geld geliehen hat, mit dem die griechischen Regierungen sich so verschulden konnten. Wieso räumt Christiane Schlöter der griechischen Regierung nur eine zweite Chance ein? Die zweite Chance ist der Film von Wolfgang Petersen mit Clint Eastwood (In the Line of Fire; U.S.A. 1992/93). Was war mit den Regierungen und den Instituten der Bundesrepublik? Sind die je so schnell gewesen? 

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