Mittwoch, 3. Februar 2016

Fundsachen im Feuilleton - als Anlass für einige Gedanken zur prekären Lage einer Tageszeitung

Gestern las ich im neuen MERKUR (Heft 801, Februar 2016) den Text Das Ende der Zeitung von Stefan Schulz. Die gedruckte Zeitung verliert mächtig - die online-Angebote werden weitaus mehr genutzt. Die Druckauflagen sinken, die Zahl der Abonnenten gehen zurück. Darunter leidet auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung mächtig. Seit einiger Zeit wunderte ich mich, warum diese Zeitung nicht in den Zügen ausliegt - im Gegensatz zur Süddeutschen Zeitung, zur Welt und zu BILD: die Frankfurter versuchen zu sparen.


Die Gründe sind vielfältig und kompliziert. Neben der Frage nach der Bedeutung und dem Einfluss der digitalen Konkurrenz gibt es auch die Frage nach der Qualität einer Tageszeitung.


Ich nenne fünf:
1. die online-Nachrichten kommen den eigenen Suchbewegungen entgegen. Die Zeitung zwingt mir eine Ordnung auf, die eine Unordnung darstellt: die Kontexte sind unklar und fragmentiert. Um mich durchzulesen und zu meiner Ordnung zu kommen, vergeht viel Zeit. Das Interesse der Redaktion, das sich in vielen Abteilungs- oder Ressort-Interessen und Macht-Verhältnissen verteilt, entspricht nicht meinem Interesse. Das macht die Lektüre aufwändig.

2. Die Fragmentierung einer Tageszeitung in Themen-Bücher wie bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung (Politik, Feuilleton, Wirtschaft, Finanzen, Sport, Reise, Immobilien) ist uralt und widerspricht der Idee der Kontexte. Die  muss ich herauslesen und synthetisieren.

3. Das Problem der impliziten Konzepte und des unklaren Vorgehens.  Eine Forschungsarbeit nennt ihren Rahmen, ihre Konzeption, Hypothesen und die Herkunft ihrer Befunde. Darüber geben die Autoren in ihren Texten keine Auskunft.

4. Bei der Beschreibung des politischen Geschehens werden die Verlautbarungen der Regierungen als politische Absichten unzureichend gegen den Strich gelesen - bei einem permanenten Rätseln über die Konstellation der Machtverhältnisse im Hinblick auf die Chancen bei den künftigen Wahlen.

5. das Lese-Vergnügen schwankt sehr. Manchmal lese ich Texte, bei denen ich mich wundere, wie die die Gegen-Lektüre einer Redaktion passiert haben. Heute im Feuilleton der  Frankfurter Allgemeine Zeitung - dem Ort der Ordnung und Verständnis versprechenden Narrative - der Text Ronald Reagan reitet wieder von Dietmar Dath. Ein Satz als ein Beispiel für abschreckenden Lese-Service:

"Besonders der politische Nettoeffekt von Obamas aufwendigster Sozialreform, dem Gesundheitsgesetz 'Patient Protection and Affordable Care Act', im Volksmund 'Obamacare' genannt, ist bestenfalls mau und schlimmstenfalls ein Mühlstein um den Hals jeder Kandidatin und jedes Kandidaten aus Obamas Partei".


Was ist ein politischer Nettoeffekt? Wie kann er als mau beschrieben werden? Ich kann über die fröhliche sozialwissenschaftliche Konzeptionslosigkeit des Autors, die die Redaktion mir zumutet, nur staunen. Der Text ist ein Eigentor.


(Überarbeitung: 5.2.2016)

  

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