Mittwoch, 24. Februar 2016

Journalismus-Lektüre XII: Politik - von der Familienstube aus betrachtet

Unser Staat hat im vergangenen Jahr 19.4 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben: hat das Statistische Bundesamt konstatiert. Sehr erfreulich. Ich lese heute dazu in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.2.2016, S. 15, Nr. 46): "Hoher Staatsüberschuss kommt Schäuble in die Quere". Wie das? Der Untertitel der Schlagzeile: "Haushaltspolitiker befürchten neue Begehrlichkeiten".

Neue Begehrlichkeiten: das Wort ist seltsam. Eine Begehrlichkeit gehört in den persönlichen, individuellen Kontext der eigenen Wünsche-Regulation. Gehört eine Begehrlichkeit in den Kontext eines Politikers? Muss er seine Wünsche regulieren? Sicherlich in seinen privaten Lebensverhältnissen. Aber in seinem beruflichen Kontext hat er eine öffentliche Aufgabe und ein
öffentliches Amt, für das er gut begründete, konzeptionell abgeleitete Entscheidungen treffen muss.

Eine Begehrlichkeit  in den politischen Kontext hinzumischen, bedeutet: 1. das private Wünschen dominiert; 2. es gibt kein politisch begründbares, politisch relevantes Konzept; 3. das private Wünschen korrumpiert die Erledigung der öffentlichen Aufgabe; 4. der Journalist unterstellt eine nicht-politische Politik; 5. er hält die nicht-politische Politik für Politik. Er müsste aufschreien, aber er kooperiert. Er leistet einen Beitrag zur Entwertung und Verachtung von Politik mit dem Bild :  von Eltern, Großeltern und Verwandten, die, wenn sie nur lang genug behelligt werden, ihre Portemonnaies aufreißen.  

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