Dienstag, 2. Februar 2016

Neues zur Heiligen Kuh XXIII: störrisch rennt sie im Kreis herum

Vertrautes von VW: ein Betrug ist kein Betrug. Heute wird in einem Schmeichel-Text ein bemerkenswerter Satz des gegenwärtigen VW-Chefs Matthias Müller zitiert - in dieser Passage von Holger Appel (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2.2.2016, S. 15, Nr. 27):
"Wie Müller mit seiner Aufgabe als Schlechtwetterkapitän umgeht, ist bemerkenswert. Der Mann, der sich von seinem Komfortsitz Porsche nicht auf den Schleudersitz VW beworben hat, will sich noch immer nicht verbiegen lassen. Er gesteht Fehler ein, verfällt aber nicht in Demut, weil, wie er es sagen würde, 'bis auf einen Tag vor dem Skandal VW ein super Laden war mit super Leuten'".

Ja, wenn man die Super-Leute aus dem Super-Laden bloß nicht erwischt hätte in den Vereinigten Staaten! Solange man nicht erwischt wird, ist ein Betrug kein Betrug.

Zweites Beispiel. Interview mit Andreas Renschler vom Vorstand des VW-Konzerns. Interviewt wurde er von Georg Meck (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 31.1.2016, S. 24, Nr. 4).
Erste Frage: "Herr Renschler, auf einer Skala von eins bis zehn. Wie schlimm ist VW getroffen vom Diesel-Skandal?"
Antwort: "Für mich ist noch immer nicht ganz fassbar, was da passiert ist".
Kommentar: Schwerer Betrug; ganz einfach.
Renschlers Antwort, fortgesetzt: "Die Organisation insgesamt ist erschüttert".
Kommentar: Also Zehn.
Renschlers Antwort, fortgesetzt: "Wir sind aber dabei, das aufzuklären".
Kommentar: Was ist das? Etwas Unbekanntes. Etwas Unaussprechbares. Die Konjunktion aber versichert: wir tun etwas. Wir nähern uns dem Unbekannten.
Renschlers Antwort, fortgesetzt: "Technisch geht das schneller, der Rückruf ist angelaufen. Daran schließt sich die Frage an: Wie konnte das passieren? Was ist der Grund für die Vorgänge?"
Kommentar: Renschler hält am das fest. Schließlich nennt er das das: es sind die Vorgänge. So wird ein Handeln hinsichtlich seiner Verantwortung und Schuld entleert; die Vorgänge sind anonym; irgendein Roboter muss sie ausgeführt haben.

Das ist die Rhetorik des Betrugs. Sie ist in einem Interview mit einem Journalisten nicht strafrechtlich relevant. Man muss keine persönliche oder Selbst-belastende Auskunft geben. Es ist das gute Recht der beiden VW-Herren keine substantielle Auskunft zu geben und der Strategie ihrer Rechtsberatung zu folgen. Andererseits sind sie in einer moralischen Schuld der bundesdeutschen Öffentlichkeit gegenüber. Wer redlich zu sein verspricht, sollte sich nicht weiter durchmogeln.  Die Fortsetzung der Schuld-planierenden Unredlichkeit ist eine vertraute deutsch-bundesdeutsche Tradition. Dass sie durchgeht, liegt an den beiden Journalisten: statt loszuprusten und sich auszuschütten über die Schlichtheit der Mogel-Mittel, blieben sie brav und gingen in die Knie. Wie war das mit der vierten Macht? Das dritte Gebiß klappert.

(Überarbeitung: 29.2.2016)

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