Dienstag, 23. Dezember 2014

Die Leute von Pegida

Die Leute von Pegida, kann man sich, so deuten heute die Sozialwissenschafter - Norbert Elias nannte diese Berufsgruppe: Menschenwissenschaftler - Heinz Bude und Ernst-Dieter Lantermann (Süddeutsche Zeitung vom 23.12.2014, S. 11; Nr. 295) an,  (vor allem) aus "drei Gruppen mit ausgeprägter Islamophobie" zusammengesetzt vorstellen; gemeinsam sei den drei Gruppen "die Identifizierung mit ihrer deutschen Herkunft ein wesentliches Moment ihres Stolzes". Ich halte fest: Islamophobie und Stolz. Phobische Störungen verursachen unkontrollierbare Angst-Zustände. Die Leute von Pediga, wenn ich das am Bildschirm richtig einschätze, sind aber doch eher aufgebracht, empört oder wütend. In dieser affektiven Verfassung ist eine oder ein an einer phobischen Störung Leidender normalerweise nicht. Er oder sie wird sich auch eher als angeschlagen erleben und einschätzen. Mit anderen Worten: das Begriffspaar hat eher metaphorische, um den Gegenstand kursierende Bedeutung.

Kommen wir zu den Gruppen. Neun Prozent der Befragten machen, so die Autoren, die Gruppe der verhärtet Selbstgerechten aus. Die zweite Gruppe, die dreizehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, wird von den grundsätzlich Beleidigten, die von Ausschlussempfinden geplagt sind, gebildet. Die dritte Gruppe, dreizehn Prozent der Bevölkerung, werden als zurückgesetzt Empfindende beschrieben. Die drei Gruppen ergeben 35 Prozent. Sie sind 2011 in einer Telefon-Umfrage, die das Hamburger Institut für Sozialforschung finanzierte, eruiert worden. Anlass und Kontext waren: die Rede des damaligen Bundespräsidenten am 3.10.2010 zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit. Machen nun die 35 Prozent der Befragten von 2011 die Leute von Pegida aus - so wie der Titel des Textes nahe legt: "Besorgt, beleidigt und zurückgesetzt. Wer sind die Anhänger von Pediga?" Nein, das kann man nicht sagen. Man kann es vermuten. Dazu müsste man die Leute von Pediga befragen und die Ergebnisse vergleichen. Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung suggerierte die Übertragbarkeit.

Besorgt, beleidigt und zurückgesetzt: diese Klassifikation ist eine Beleidigung. Sie ist nicht formuliert worden, um sie den Klassifizierten vorzulegen und mit ihnen in ein Gespräch zu kommen. Mit der  Klassifikation mokieren sich die Wissenschaftler; sie verachten ihre Befragten; sie scheinen kein Verständnis für deren Lebensverhältnisse, Lebensängste und Lebensentwürfe aufzubringen. Sie übersehen den historischen Kontext: die besondere Zerrissenheit der bundesdeutschen Identität, die die alte Zerrissenheit der deutschen Identität fortgesetzt hat und sich in den jüngeren Generationen abzumildern scheint. Norbert Elias und Erik Homburger Erikson haben sie für die letzten Jahrhunderte beschrieben und Hoffnung auf eine Integration gemacht.      

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