Freitag, 19. Dezember 2014

Dissonanzen IV: der Verbrauch von Freundschaft

Ich kann es nicht mehr lesen: das Gerede von Freunden oder Freundschaft im politischen Kontext als eine Art politischer Metapher. Letztes Beispiel heute in der Süddeutschen Zeitung 
(19.12.2014, S. 4): "Plötzlich Freunde" titelt Hubert Wetzel seinen Kommentar zur Entscheidung des U.S.-Präsidenten, die alte Nicht-Beziehung zu Kuba zu einer hoffentlich tragfähigen politischen Beziehung umzugestalten. Beziehungen zwischen Nationen oder Ländern sind natürlich Kurzschrift. Sie noch mit dem Begriff von Freundschaft zu unterfüttern, zu viel der Metaphern-Last.

Plötzlich Freunde ist offenbar ironisch gemeint - jemand von der Schluss-Redaktion (wenn es nicht der Autor war) hatte wohl den französischen Filmtitel im Kopf: ziemlich beste Freunde. Vor ein paar Tagen war die Rede von der bröselnden Freundschaft zu Italien (s. meinen Blog vom 27.10.2014). Dabei hatte das italienische Verfassungsgericht eine ganz andere Sprache gesprochen. Die Freundschaft zur amerikanischen Regierung - oder zu wem sonst? - ist eine weitere Sprachfigur des Missverständnisses. Seltsam, dass die Süddeutsche Zeitung sie pflegt. Der erste Kanzler der Bundesrepublik führte die Rührseligkeit der deutsch-französischen Freundschaft ein - sein französischer Kollege war freundlich genug, seine Arme in der Geste der Umarmung in der Öffentlichkeit tüchtig auszubreiten.  Seine späte Nachfolgerin Angela Merkel benutzt die Metapher der Freundschaft häufig. Aus eigener Überzeugung? Oder wurde ihr dazu geraten? Und folgt die politische Redaktion der Süddeutschen Zeitung - deren Leiter: Stefan Kornelius ein kosmetisch-freundliches Buch über Angela Merkel geschrieben hat (anders als George Packer von der Zeitschrift The New Yorker) - einem Kurs der Weichzeichnung der Kanzlerin? Eine Freundlichkeit wäscht die andere?  Die Kitt-Vokabel Freundschaft ist jetzt über 60 Jahre alt. Langsam müsste sie aufgebraucht sein. 
(Überarbeitung: 26.12.2014)

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