Freitag, 19. Dezember 2014

Dissonanzen III: Demokratie-Zutrauen

Die zwölf Geschworenen haben in Missoula Markus Kaarma für schuldig befunden, den Austauschschüler Diren Dede erschossen zu haben. Hans Holzhaider kommentiert das Institut einer jury (Süddeutsche Zeitung vom 19.12.2014, S.4):

"Man kann lange nachdenken über die Vorzüge und Nachteile des Geschworenenprozesses - eines Prozesses also, in dem nicht Berufsrichter, sondern zwölf Männer und Frauen aus der Bevölkerung über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten entscheiden. Er verführt Anklage wie Verteidigung dazu, die Schlacht im Gerichtssaal mit Emotionen und Appellen an tiefsitzende Instinkte zu führen. Er kann die Rechtssprechung daran hindern, sich von rassistischen Klischees und Vorurteilen zu lösen.

Aber der Geschworenenprozess kann auch für sich in Anspruch nehmen, dass seine Urteile tatsächlich das Rechtsgefühl einer Mehrheit spiegeln. So gesehen, ist die Verurteilung Markus Kaarmas ... ein ermutigendes Signal".

Als ich mit meinem englischen Freund ein Verfahren im Kölner Amtsgericht verfolgte, wunderte er, studierter Jurist, sich sehr über den Richter, der ständig eingriff, explorierte und kommentierte. Er fand das ziemlich unübersichtlich. Im angelsächsischen Gericht heißt der bei uns so genannte Beschuldigte - der den Begriff des Angeklagten ablösen soll - : the defendant. Um ihn wird tatsächlich gekämpft oder gestritten. Jedes Gerichtsverfahren - bei uns und in demokratisch verfassten Gesellschaften - vermittelt und expliziert den institutionellen Rahmen und den Geist des Gesetzes. Die jury operiert im Amt der Geschworenen als das institutionalisierte Zutrauen des Rechtssystems in die Vernünftigkeit und Anständigkeit der demokratisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger; sie ist die tiefe Hoffnung auf das Funktionieren demokratischer Institutionen. Die tief sitzenden Instinkte haben im Prozess der Urteilsfindung nichts zu suchen; das gemeinsam getroffene Urteil ist der Beleg für deren Zivilisierung.

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