Donnerstag, 30. Oktober 2014

Zu Ende leben

In der Oktober-Ausgabe der U.S.-Zeitschrift The Atlantic hat Ezekiel J. Emanuel seinen enorm mutigen Text veröffentlicht: Why I Hope to Die at 75. An Argument that society and families - and you - will be better off if nature takes its course swiftly and promptly. Bernd Graff, Journalist der SZ, veröffentlichte seine Kritik am 28.10.2014 (S. 11, Nr. 248) unter dem Titel: Sterben muss man sich leisten können. Nach dem Leben sollen in den USA nun auch Geburt und Tod ökonomisch optimiert werden. So wurde ich auf Ezekiel Emanuels Arbeit aufmerksam und las sie - dem Internet sei Dank - nach. Bernd Graff hat die Arbeit missverstanden. Es geht nicht um irgendeine ökonomische Frage, sondern um die existenzielle Frage, wie wir zu leben wünschen, wann wir unser Leben für erfüllt einschätzen und wie wir uns auf unser Lebensende einstellen. Ezekiel Emanuel hält nichts vom Trost der Illusion oder Fantasie, sehr alt und sehr fit bleiben zu können. Emanuel ist ein mit der Forschung vertrauter Autor. Epidemiologische Forschung zeigt, dass die Lebenserwartung zwar steigt, aber dass ein längeres Leben sehr wahrscheinlich ein längeres Leiden bedeutet. Natürlich gibt es glückliche Ausnahmen. Die Frage ist für ihn, ob der medizinische Aufwand, das Leben im Leiden zu verlängern, das Leben wert ist. Ezekiel Emanuel sagt: nein. Deshalb hat er sich entschlossen, ab dem Alter von 75 den Prozess seines (natürlichen) Sterbens, wenn er manifest wird, weder aufzuhalten, noch zu verzögern, noch hinauszuschieben mit Hilfe medizinischer Interventionen. Sterben ist ein Prozess des Sich-Trennens vom Leben. Wie der Prozess gestaltet wird, ist eine sehr persönliche, bewusste oder nicht bewusste Entscheidung. Ezekiel J. Emanuel plädiert für die bewusste Entscheidung einer zügigen Trennung. Ich empfinde seinen Vorschlag als sehr erleichternd und entlastend.     

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